„Das alte Schulhaus in Scharlibbe“
aufgeschrieben von Pfarrer Reinhard Langer
Lothar Schirmer / Geschichte lebt von Erinnerungen und Niedergeschriebenem. Von Generation zu Generation weiter gegeben schleichen sich manchmal Betrachtungsweisen ein, die von den historischen Fakten abweichen. So kann ich mir auch die Unterschrift unter dem Foto eines sanierungsbedürftigen Gebäudes in Scharlibbe, in der Volksstimme vom 18.01.2018 erklären. Vom ehemaligen Pfarrer Reinhard Langer erreichte mich dazu folgendes Schreiben:
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Reinhard Langer, Pfarrer von 1965 bis 1988 im Pfarrbezirk Klietz
Das alte Schulhaus in Scharlibbe
Bei erster kurzer Kenntnisnahme ist mir in dem Artikel „Viele Vorschläge für attraktive Orte“ aufgefallen, dass die Recherche von Ingo Freihorst zu falschen Ergebnissen geführt hat.
Die Bildunterschrift sagt aus: „Das alte Pfarrhaus in Scharlibbe steht seit langem leer und könnte zur Leichenhalle umgenutzt werden.“ Darauf wird dann noch einmal im Artikel Bezug genommen mit dem Hinweis, das Gebäude stehe unter Denkmalschutz. Letzteres kann ich nicht beurteilen. Diese Einstufung müsste dann nach 1988 erfolgt sein. Pfarrhaus ist das Haus vor der Kirche nie gewesen; Scharlibbe war nie Pfarrstelle, sondern eine Filialgemeinde unter dem Patronat der Familie von Katte, Mahlitz. Das Gebäude war früher tatsächlich die alte Schule (Kantorat), die im Zuge der Küsterei-Schul-Auseinandersetzung um 1923 der Kirchengemeinde zur Nutzung zugefallen ist. Wie diese Nutzung dann umgesetzt wurde, entzieht sich meiner Kenntnis. Vorgefunden habe ich 1965, dass der Kirchengemeinde ein Gemeinderaum und ein Unterrichtsraum in diesem Haus zur Verfügung standen und Bewohner behördlicherseits (Wohnraumbewirtschaftung) in das Haus eingewiesen worden waren, die anderswo nicht bleiben sollten (Melitta Baack – in Scharlibbe ‚Tante Lita‘ genannt – nach der Enteignung ihres Großbauern-Hofes) oder die niemand als Mitbewohner haben wollte (Willi Sporzetzki und Richard Osterburg) und die dort unter unwürdigsten Bedingungen lebten, an denen die Kirchengemeinde nichts ändern konnte bzw. die ihr Einverständnis zu Veränderungen auch nicht gegeben haben. Frau Baack lebte bei unserem Wegzug aus Klietz 1988 noch. Kontakt mit ihr war durch ihre erhebliche Schwerhörigkeit nie ganz einfach.
Das Haus war damals bereits in der „Nutzungszeit“ heruntergekommen. Ich kann mich nicht erinnern, ob die Kirchengemeinde jemals so etwas wie (damals ohnehin sehr geringe) Mieteinkünfte aus der alten Schule hatte, um dringend notwendige Ausgaben zu tätigen. Ich selbst bin seinerzeit davon ausgegangen, dass das Haus, wenn Frau Baack es nicht mehr bewohnt, nur noch abgerissen werden kann. Auch aus diesem Grund haben wir uns bemüht, den Gemeinderaum durch Einbau in die Kirche Scharlibbe nach dort zu verlegen. Das ist dann noch gelungen, die Kirchengemeinde verließ die alte Schule vor Weihnachten 1988 und hatte nun ihre Räumlichkeiten in der Kirche.
Das Fehlen einer Leichenhalle in Scharlibbe war schon vor meiner Zeit ein Problem, nachdem die Aufbahrung Verstorbener zu Hause und die Bestattung vom Haus her nicht mehr erlaubt waren. Vielfach wurde dann ein „Feuerwehrgerätehaus“ genutzt. Ob heute die Aufbahrung in der Kirche Scharlibbe erfolgt, weiß ich nicht. Mein Vorgänger, Pfarrer Dieter Schmidt, hatte mit dem Gemeindekirchenrat eine Lösung gefunden. Die Kirche beherbergte die Gruft der Familie von Katte, deren Sarkophage aus dem Vorgängerbau der Kirche (vor 1906) dorthin überführt worden waren.
Das Einverständnis zur Erdbestattung der Sarkophage (die an der Westseite des Kirchturmes vorgenommen wurde) hat damals der in Harrislee bei Flensburg ansässig gewesene Sohn der Mahlitzer Katte‘s, Hans-Heinrich von Katte, gegeben, damit der (ebenerdige) Raum an der Nordseite der Kirche mit Zugang von außen als Leichenhallt genutzt werden konnte. Das war also damals nie „in der Kirche“, wenn auch unter dem Dach der Kirche. Trauerfeiern – so habe ich das damals vorgefunden – fanden vom Turmraum der Kirche aus statt. Dazu wurden Särge / Urnen für den Beginn der Feier dorthin gebracht.
Über das Alter des Kantorats ist mir nichts bekannt. Ich kann auch nicht erkennen, wer da aus Denkmalschutzgründen noch ein Interesse haben sollte, zumal die Außenfront schon lange nicht durchgängig ein Fachwerkhaus mehr ist. Ich gehe eher davon aus, dass in diesem Fall eine „Umnutzung“ unter „Umgestaltung“ Verhandlungssache wäre, wenn der Denkmalschutz wirklich seine Hand darauf haben sollte. Doch hat den der Zustand in den letzten zwanzig Jahren im Straßenbild scheinbar noch nie gestört, oder?
Mit freundlichen Grüßen
Reinhard Langer.